Das Bild zeigt den Neubau der KAIFU des Projekts LOK67 in Lokstedt
LOK67 - Interview mit Dennis Voss

"Die Höhe der Miete ist ein bitterer Wermutstropfen"

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In den freifinanzierten Wohnungen im Neubau der KAIFU in Lokstedt wird die Miete fast 20 Euro pro Quadratmeter betragen – durch Verzögerungen auf dem Weg zur Baugenehmigung ist das Projekt deutlich teurer geworden. KAIFU-Vorstand Dennis Voss bedauert diese Entwicklung sehr.

 

Es ist eines der größten Neubauprojekte in der jüngeren Geschichte der KAIFU. 106 neue Wohnungen, davon 20 öffentlich gefördert, baut unsere Genossenschaft in Lokstedt im Bereich Lohkoppelweg/ Ansgarweg und Rimbertweg. Die Bandbreite reicht von kompakten Wohnungen für eine Person mit circa 40 Quadratmetern bis zu Familienwohnungen mit über 100 Quadratmetern. Alle Wohnungen erhalten eine Terrasse oder einen Balkon und sind dank Aufzügen und stufenlosen Eingängen barrierearm erreichbar. Zudem baut die KAIFU eine Kita mit über 50 Plätzen. Die Mobilität wird konsequent auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ausgelegt. In der Wohnanlage werden auch Stellplätze für Carsharing-Fahrzeuge vorgesehen, zudem wird die Ladeinfrastruktur für E-Autos vorgerüstet und für E-Bikes installiert. Die Kosten liegen bei rund 45 Millionen Euro, die Miete für die 80 freifinanzierten Wohnungen wird im Durchschnitt 19,90 Euro pro Quadratmeter betragen. Mit der Fertigstellung rechnet die KAIFU 2024/25. Über das Projekt sprach unser Redakteur Peter Wenig mit KAIFU-Vorstand Dennis Voss.

Noch nie war die Nutzungsgebühr in einer Wohnung der KAIFU so hoch. Wie ist das zu erklären?

Dennis Voss: Dazu muss ich etwas ausholen. Es handelt sich bei diesem Bauvorhaben um eine Nachverdichtung in Lokstedt, mit der wir uns schon sehr lange beschäftigen. 2016 haben wir uns auf den Weg gemacht, gemeinsam mit dem Bezirk einen Bebauungsplan zu entwickeln. Das war ein mühsamer und langwieriger Prozess. Und dann hat es weitere 18 Monate gedauert, bis wir schlussendlich die Baugenehmigung hatten. Viele Umplanungsrunden, die Zeit und Geld gekostet haben, sind gedreht worden. Das war schon ein Stück Behördenkarussell. Die Verzögerung hat leider dazu geführt, dass das Projekt viel teurer wurde als geplant. Zum einen haben sich die Baukosten signifikant erhöht, zum anderen haben sich die Finanzierungskosten mehr als verdreifacht. Und das alles führt natürlich dazu, dass wir dieses Bauvorhaben neu kalkulieren mussten, auch aus Verantwortung für unsere Genossenschaft. Die wirtschaftlich notwendige Miete liegt leider bei fast 20 Euro pro Quadratmeter. Und das ist jetzt nicht die Kalkulation eines renditegetriebenen Investors. Im Gegenteil, die Verzinsung unseres eingesetzten Eigenkapitals ist sehr niedrig.

Woran lag die Verzögerung konkret? Es gab ja schon im Vorfeld Proteste von Anwohnern, denen das gesamte Vorhaben, an dem auch andere Genossenschaften beteiligt sind, zu überdimensioniert war.

Hier müssen wir differenzieren. Auf dem Weg zur Entwicklung des Bebauungsplans gab es in der Tat Änderungswünsche aus der Nachbarschaft, etwa was die Zahl der Geschosse angeht. Es gab auch entsprechende Proteste. Bei einer Vielzahl von Veranstaltungen haben wir versucht, die Anwohner mitzunehmen. Öffentliche Anhörungen sind bei solchen Projekten ja ohnehin vorgeschrieben. Dies hat den Prozess auch verzögert. Aber diese Diskussionen haben nichts mit dem dann folgenden Zeitverzug mit Blick auf die Baugenehmigung zu tun. Diese Bearbeitungszeit von 18 Monaten entstand allein durch die Nachforderungen oder Fragen, die sich in der Bezirksverwaltung noch ergeben haben. Wohlgemerkt auf der Grundlage eines abgestimmten Bebauungsplans. Und da kann ich nur sagen, das ist deutlich zu lang. Und da müssen die, die in dieser Stadt bezahlbaren Wohnraum wollen, alle Kräfte daransetzen, solche Prozesse zu beschleunigen.

Es lag also nicht an der Bezirksversammlung, also der politischen Ebene?

Nein, im Zusammenhang mit der Baugenehmigung ging es allein um die Fachabteilungen in der Verwaltung. Immer wieder wurden Unterlagen nachgefordert. Dabei ging es auch um Prüfdienste, die zum Zeitpunkt des Einreichens des Bauantrags noch gar nicht existent waren. Das hat uns irritiert.

Was könnte die Verwaltung aus Ihrer Sicht besser machen?

Sinnvoll wäre etwa ein Auftakt-Meeting, wo alle Fachabteilungen dem Bauherrn signalisieren, bis zu welchem Zeitpunkt welche Unterlagen vorgelegt werden müssen. So gibt es eine Vielzahl von Verfahrensschritten, wo der verantwortliche Bauprüfer auf die Zuarbeit von anderen Fachabteilungen angewiesen ist. Und da gibt es manchmal widerstreitende Interessen. Deshalb dauert das alles so lange.

Vom Planungsstart bis zum Baubeginn sind nun sieben Jahre verstrichen …

Und das ist in Anbetracht der Tatsache, dass es hier um ein Vorhaben geht, bei dem eine Genossenschaft auf eigenem Grund ein genossenschaftliches Projekt realisieren möchte, nicht nachvollziehbar. Aus meiner Sicht wird bei solchen Projekten zu sehr versucht, es möglichst allen recht zu machen, um die eierlegende Wollmilchsau zu generieren.

Hätte man statt des Neubaus nicht auch die 32 vorhandenen Wohnungen modernisieren können?

Theoretisch ja, aber das wäre angesichts der schlechten Bausubstanz nicht wirtschaftlich gewesen. Zudem gab es keine Fahrstühle, wir hätten also nicht den dringend benötigten barrierearmen Wohnraum anbieten können. Und wir nutzen das Grundstück nun viel besser aus.

Gab es die Überlegung, das Projekt zu stoppen?

Natürlich macht man sich bei diesen Kostensteigerungen und den Rahmenbedingungen Gedanken, ob das noch sinnvoll ist. Allerdings hatten wir ja ein Bestandsgebäude mit 32 Wohnungen bereits abgerissen. Zudem hatten wir hohe Vorlaufkosten, etwa Honorare für Architekten. Vor allem aber halten wir das Projekt für sehr sinnvoll und wichtig. Neben 80 freifinanzierten Wohnungen entstehen ja auch 20 geförderte Wohnungen und eine Kita. Das ist ein richtig gutes Projekt, das das Quartier aufwerten wird. Deshalb ziehen wir dieses Bauvorhaben durch, wenn auch mit Bauchgrummeln, weil die Miete eine Höhe erreicht, die wir in der Breite für genossenschaftlich kaum vertretbar halten. Das ist ein bitterer Wermutstropfen.

Denkbar wäre ja auch eine Quersubventionierung. Man müsste die Miete der rund 5.000 Wohnungen der KAIFU nur geringfügig anheben. Dann wäre die Miete in Lokstedt viel günstiger. Warum ist dies keine Option?

Weil wir es nicht für richtig halten, ein Neubauvorhaben mit Überschüssen aus den Bestandsmieten zu subventionieren. Natürlich setzen wir Überschüsse ein, um anstehende Modernisierungen und die Instandhaltungstätigkeit sowie das Quartiersmanagement zu finanzieren. Aber wir können nicht wenigen Mitgliedern einen finanziellen Vorteil gewähren, indem wir alle anderen Mitglieder zur Kasse bitten, die womöglich über einen kleineren Geldbeutel verfügen. Zudem kann bei einem Neubau jeder entscheiden, ob er zu den Mietkonditionen einziehen möchte oder eben nicht.

Warum hat die KAIFU nicht viel mehr geförderte Wohnungen zulasten der freifinanzierten Wohnungen gebaut?

Das hört sich immer so einfach an. In der Realität lässt sich das leider nicht so leicht umsetzen, weil mit einem Bauvorhaben lange Planungszeiträume einhergehen und mit der öffentlichen Förderung auch bestimmte Auflagen verbunden sind, etwa, was die Grundrisse angeht. Und wenn wir die Planung noch umgestoßen hätten, wären die Kosten im Bereich der Architekturleistung deutlich gestiegen. Und wir hätten Fördermittel verloren. Aber in der Zukunft stellt sich natürlich die Frage, wie wir künftig Neubauvorhaben angehen. Wir halten es weiter für wichtig, auch freifinanziert zu bauen. Aber zu diesen Preisen geht das kaum noch. Da ist der öffentlich geförderte Bereich deutlich besser aufgestellt, zumal die Stadt die Förderung deutlich verbessert hat. Dennoch suchen wir auch im freifinanzierten Wohnungsbau nach Lösungen. Dieses Segment ist wichtig, da wir auch Mitgliedern neuen Wohnraum anbieten wollen, die keinen Wohnberechtigungsschein haben.

Werden sich angesichts dieser Mietpreise Mitglieder, die jetzt schon bei der KAIFU wohnen, für eine freifinanzierte Wohnung in Lokstedt interessieren?

Das können wir nicht einschätzen, weil wir nicht über Angaben zu den Haushaltseinkommen unserer Mitglieder verfügen. Grundsätzlich glauben wir, dass das Interesse an den Wohnungen in diesem Gebiet sehr hoch sein wird. Aber diese Mieten werden mit Sicherheit dazu führen, dass wir einen Teil der Wohnungen an neue Mitglieder vermieten werden. Das wäre bei einer Miete von unter 15 Euro anders gewesen.

Hätte man den Neubau durch den Verzicht auf ein paar Extras günstiger machen können?

Nein, bei einem solchen Projekt spielt am Ende kaum eine Rolle, ob man sich nun für Parkett oder einen anderen Bodenbelag entscheidet. Die wirklichen Kostentreiber wie die aufwendige Haustechnik sind vorgeschrieben. Und wie gesagt: Das gesamte Vorhaben war komplett konzeptioniert. Wir sind ja nur durch die Verzögerung in die Baukosten- und Zinsfalle geraten. Aber für die Zukunft wird man kreativ sein müssen, auch mit Blick auf das mögliche serielle Bauen mit hoch standardisierten, industriell vorgefertigten Modulen. Wobei unsere Grundstücke zumeist nicht auf der grünen Wiese liegen, wo man diese Effekte leichter generieren kann. Bei Nachverdichtungen ist dies deutlich komplexer.

Sehen Sie die Gefahr, dass jetzt Besserverdiener KAIFU-Mitglieder werden, die mit dem genossenschaftlichen Gedanken nicht viel am Hut haben?

Nein, das würde ich nicht vom Einkommen abhängig machen, sondern von der Grundhaltung. Das ist ein Thema, das uns immer bewegt. Wie können wir den genossenschaftlichen Gedanken fördern? Unsere Aufgabe ist es, diese Vorteile darzustellen und in nächste Generationen zu transportieren, um das Ganze zukunftsfit zu machen.