Stefan Henze und Dennis Voss im Interview
Hamburger Zukunftsentscheid | Vorstandsinterview

Hamburger Zukunftsentscheid

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„Wir dürfen die Menschen nicht verlieren“

Soll Hamburg die angestrebte Klimaneutralität vorziehen? Dazu gibt es am 12. Oktober einen Volksentscheid. Die KAIFU-Vorstände Dennis Voss und Stefan Henze warnen
 

Die Initiative „Hamburger Zukunftsentscheid“ setzt sich dafür ein, dass Hamburg bereits 2040 und nicht erst 2045 klimaneutral werden soll. Dazu soll das Klimaschutzgesetz geändert werden. Am 12. Oktober findet in der Hansestadt ein entsprechender Volksentscheid statt. Warum dies für die Wohnungswirtschaft und damit für die Mieterinnen und Mieter fatale Konsequenzen haben könnte, erklären die KAIFU-Vorstände Dennis Voss und Stefan Henze im Gespräch.
 

Ein breites Bündnis aus Organisationen wie dem Mieterbund, Verdi, der Caritas und Greenpeace unterstützt den Zukunftsentscheid. Hamburg soll bereits 2040 klimaneutral werden und nicht, wie geplant, erst 2045. Warum ist das aus Ihrer Sicht problematisch? Fünf Jahre klingen doch machbar.
Dennis Voss:
In der Tat klingen fünf Jahre erst mal harmlos. Aber in Wahrheit ist dies nicht nur problematisch, sondern aus meiner Sicht utopisch. Wir reden über die Überforderung von Mieterinnen und Mietern. Aber auch die Wohnungsunternehmen werden überfordert sein. Da geht es um Finanzen und Kapazitäten.

Stefan Henze: Das Ziel, den Gebäudesektor bis 2045 klimaneutral aufzustellen, ist bereits sehr ambitioniert und erfordert enorme Investitionen. Bei einer Verkürzung dieses Zeitraums werden unsere finanziellen Spielräume noch geringer. Und geplante Neubauvorhaben müssten vermutlich verschoben werden. Wie mein Vorstandskollege richtig sagt, geht es auch um Kapazitäten – intern in unseren Abteilungen, aber auch extern bei den Architekturbüros, den Fachfirmen, Handwerkern und auch den Bezirksämtern. Schon jetzt warten wir lange auf Baugenehmigungen, weil die Ämter überlastet sind. Wie soll das bis zum Jahr 2040 funktionieren?

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Stefan Henze im Gespräch mit Dennis Voss

 

Könnten Sie einem Laien einmal erklären, wie energetische Modernisierungen ablaufen?
Stefan Henze:
Ziel ist es, während der kalten Jahreszeit die Wärme in der Wohnung zu halten und den Wärmeverlust nach außen zu minimieren. Wir erreichen dies, indem alte Fenster ausgetauscht und Dächer sowie Fassaden gedämmt werden, sodass das Gebäude umfassend isoliert ist. Zudem geht es um die Optimierung der Heizung. Wenn möglich, wird ein Anschluss an die Fernwärme angestrebt, alternativ kommen Wärmepumpen zum Einsatz, die idealerweise mit regenerativ produziertem Strom betrieben werden. Der Aufwand ist enorm.

 

Um welche Investitionssummen geht es?
Dennis Voss
: Wir rechnen mit Gesamtkosten für die energetische Sanierung unseres Wohnungsbestands von mindestens 220 Millionen Euro. Wenn wir diese Summe auf 20 Jahre strecken, bedeutet das, dass wir jährlich rund zehn bis elf Millionen Euro investieren müssen. Das ist bereits eine riesige Herausforderung. Wenn wir die Frist jedoch auf das Jahr 2040 verkürzen, werden die jährlichen Kosten voraussichtlich auf 14 bis 15 Millionen Euro steigen. Das ist finanziell nicht zu stemmen. In der öffentlichen Diskussion wird gern übersehen, dass sich Wohnungsgenossenschaften wie die KAIFU fast nur über Mieteinnahmen finanzieren. Den Erhöhungen nach Modernisierungen sind zudem gesetzliche Grenzen gesetzt. Wir als KAIFU haben überhaupt kein Interesse daran, dass die Mieten durch die Decke gehen. Im Gegenteil: Wir wissen sehr wohl, dass viele unserer Mitglieder mit jedem Cent rechnen müssen, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen.

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Dennis Voss hält das Vorziehen der Klimaziele für nicht realisierbar

 

Die Befürworter des Zukunftsentscheids argumentieren, dass sich energetische Sanierungen über Förderprogramme des Staates finanzieren lassen.
Dennis Voss:
Ich halte das für völlig unrealistisch. 2025 wird die Stadt rund 900 Millionen Euro in die Wohnungsbauförderung investieren. Da ist Hamburg wirklich vorbildlich. Natürlich kann man jetzt nach dem Staat rufen und fordern, dass er noch viel mehr Geld bereitstellt. Aber dieses Geld muss auch erwirtschaftet werden. Ich bezweifele, dass diese Fördersumme in den kommenden Jahren aufrechterhalten werden kann. Ich befürchte, dass die Förderung eher sinken wird. Laut aktuellen Zahlen sind bis 2045 Investitionen von 40 Milliarden Euro notwendig, um die Gebäude der Hansestadt klimafreundlich zu modernisieren. Wie die Wohnungswirtschaft dies fünf Jahre früher finanziell stemmen soll, konnte mir bisher noch niemand plausibel erklären.

 

Die Zukunftsinitiative argumentiert, dass frühzeitige Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen hohe Folgekosten durch den Klimawandel verhindern können, beispielsweise Schäden durch Starkregen.
Stefan Henze:
Um Missverständnissen vorzubeugen: Wir von der KAIFU bekennen uns ausdrücklich zu den Klimazielen. Wir wissen, wie wichtig diese sind. Aber die Ziele müssen machbar sein. Es nützt nichts, etwas zu fordern, was nicht finanzierbar ist. Wie bereits gesagt, bedarf selbst das Jahr 2045 größter Anstrengungen. Diese Marke liegt fünf Jahre früher als das EU-Ziel mit dem Jahr 2050.

 

Zumal es im Gebäudebestand ja nicht nur um energetische Modernisierung geht.
Dennis Voss:
Eben. Unsere Mitglieder freuen sich zum Beispiel auch über moderne Bäder. Wenn die Klimaneutralität vorgezogen wird, wird für solche Maßnahmen kaum noch Geld da sein. Wir sind eine gut aufgestellte Wohnungsbaugenossenschaft mit einer guten Eigenkapitalquote. Wie sollen das Wohnungsunternehmen schaffen, denen es finanziell deutlich schlechter geht? Oder die eine niedrigere Sanierungsquote haben? Das ist mir ein großes Rätsel.

 

Wie weit ist die KAIFU auf diesem Weg?
Stefan Henze
: Wir sind auf einem sehr guten Weg. Nehmen Sie die CO2-Emissionen. Vorgeschrieben ist eine Einsparung von 70 Prozent vom Basisjahr 1990 bis 2030 – das schaffen wir. Die niedrig hängenden Früchte bei den Sanierungen haben wir jedoch bereits gepflückt. Jetzt werden die Maßnahmen immer anspruchsvoller. Das betrifft etwa Objekte, die nicht an die Fernwärme angeschlossen werden können, oder Bestände, die unter Denkmalschutz stehen.

 

Das ist ohnehin ein spannendes Thema. Die Fernwärme wird immer teurer. Wie groß sind Ihre Sorgen?
Stefan Henze:
Das macht uns natürlich Sorgen. Aber die Kosten für neue Kraftwerke, die ohne fossile Brennstoffe betrieben werden, sind enorm. Entsprechend verteuert sich die Fernwärme. Auch der Gaspreis wird in den kommenden Jahren deutlich steigen.

 

Wenn die Energiekosten immer weiter steigen, spart der Mieter doch bei seiner Warmmiete. Kann dies mögliche Mieterhöhungen bei Modernisierungen auffangen?
Dennis Voss
: Diese Rechnung wird nicht aufgehen. Zwar kann der Mieter bei den Nebenkosten vielleicht einen Euro pro Quadratmeter Wohnfläche im Monat sparen, wenn seine Wohnung energetisch modernisiert wird. Aber die Kosten für energetische Modernisierungen sind weit höher. Da reden wir über rund drei Euro pro Quadratmeter. Und das bei dem Ziel, bis 2045 klimaneutral zu sein. Wird die Frist um fünf Jahre verkürzt, steigt die finanzielle Belastung für die Mieter nochmals signifikant.

 

Wie lautet Ihr Appell für den Volksentscheid?
Dennis Voss:
Folgen Sie dem gesunden Menschenverstand. Es ist unsinnig, einen von vornherein zum Scheitern verurteilten Weg zu beschreiten. 2045 ist bereits sehr ambitioniert, 2040 ist nicht realisierbar.